Jahresbericht 2019

Von Dankbarkeit, Schmerz, Abschied­nehmen und Hoffnung

In Dankbarkeit schaue ich zurück auf die vielen, glücklichen Jahre in einem guten Leben, das meine Frau Aurelia und ich zusammen mit unserer Tochter Michèle führen durften. 1963 haben wir geheiratet; 1968 kam Michèle zur Welt.  Hans-Jörg Bloch

2011 zeigten sich bei meiner Frau die ersten Anzeichen der Krankheit. Sie wurde vergesslich, verlor und suchte Gegenstände, wurde eigensinniger. Zudem kam es zu Gefühlsschwankungen, die wir uns nicht erklären konnten. Sowohl der Arzt wie auch ich selbst dachten zuerst noch an altersbedingte Veränderungen.


2013 aber wurde die Diagnose «Demenz» gestellt. Es kam bei der Erkrankten zu massiven Wesens- und ausgeprägten Verhaltensveränderungen: Interes­selosigkeit, Angst, Depression, Abschottung. Dazu traten Einschränkungen und später Ausfälle vieler Körperfunktionen auf, bis hin zur totalen Inkontinenz. Stürze, teilweise schwere, wurden häufiger. Ich konnte meine Frau nicht mehr unbeaufsichtigt lassen. Sie brauchte eine 24-Stunden-Betreuung und wurde zum Pflegefall.


Zu Beginn der Krankheit war für mich klar, dass ich die grosse Aufgabe der Pflege und Betreuung meiner Frau bei uns zu Hause sicherstellen würde. Dies funktionierte bis zum Zeitpunkt, als ich selber einen Zusammenbruch erlitt und ins Spital musste. Ab 2018 unterstützte mich tagsüber stundenweise eine Haushaltshilfe der Spitex Basel. Aber die persönliche Pflege akzeptierte Aurelia nach wie vor nur von mir. Da wurde mir bewusst, dass ich diese Situation nicht mehr lange alleine bewältigen konnte. Auf Anraten unseres Hausarztes und auf Drängen unserer Tochter nahmen wir die Suche nach einem geeigneten Pflegeplatz für meine Frau auf. Schon der Gedanke, den geliebten Menschen von zu Hause weg in «fremde» Pflege zu geben, fiel mir enorm schwer. Nach diversen Besichtigungen von Pflegeeinrichtungen für Demenzpatienten fiel unsere Wahl aber rasch, klar und eindeutig auf das neue mar­tha­stift in Basel.


Der 29. April 2019 war das Eintrittsdatum von Aurelia. Ich vergesse nie, wie meine Gefühle Achterbahn fuhren. Trotz dem sehr liebevollen Empfang und der professionellen Einführung im Stift fühlte ich mich miserabel und ich hatte ein sehr schlechtes Gewissen. Seither sind über 12 Monate vergangen, meine Frau fühlt sich angekommen und gut betreut. Es war für sie, die sich über so viele Jahre voll und ganz auf meine Hilfe und Betreuung eingestellt hatte und darauf fixiert war, nicht einfach. Auch ich fand langsam wieder etwas mehr Zeit für mich. Ich schlafe nun wieder besser und komme ausgeruht und weniger gestresst zu den täglichen Besuchen bei meiner Frau. Wir geniessen so gut als möglich die uns noch verbleibende gemeinsame Zeit – im Bewusstsein, dass leider täglich etwas mehr von meinem geliebten Menschen entschwindet.
Ich danke dem Pflegepersonal und der ganzen Belegschaft des neuen marthastift – diesen tollen Menschen, welche 365 Tage im Jahr während 24 Stunden sicherstellen, dass es unseren Lieben so gut wie möglich geht und dafür besorgt sind, dass sie die bestmögliche Pflege und Betreuung erhalten.


Mein Dank geht auch an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Betroffenengruppe im Stift. Hier finde ich Verständnis, Anteilnahme, Unterstützung und echte Lebenshilfe. Dafür bin ich sehr dankbar, und ich habe viel gelernt.


Meine Hoffnung und mein Wunsch sind, dass der Pflegeberuf in unserer Gesellschaft endlich so aufgewertet und wertgeschätzt wird, dass sich vermehrt Menschen mit Herz und aus Berufung für diese schöne Aufgabe entscheiden.